H. S. ROSENBERG, Set aus beiden Katalogen der Sammlung Knigge.Beinhaltend: Auktion [23] vom 9.12.1929 u.f.T., Hannover. Münz- und Medaillen-Kabinet des Freiherrn Wilhelm Knigge. 1. Abteilung: Münzen und Medaillen von Braunschweig-Lüneburg. 110 S., 27 Tfn. 1864 Nrn. Auktion [24] vom 8.12.1930 u.f.T., Hannover. Münz- und Medaillen-Kabinet des Freiherrn Wilhelm Knigge. 2. Abteilung: Münzen und Medaillen von Braunschweig-Lüneburg und Hannover. 4 unpaginierte S., (anknüpfend an die Zählung der 1. Abteilung:) S. 111-236, Tf. 28-51. Nr. 1865-3941. Orig.-Broschuren. Im Katalog 23 sind in Tinte sämtliche Zuschlagpreise und die Namen der Saalkäufer notiert, ferner finden sich bei etlichen Positionen handschriftliche Einträge der Vorkommen von entsprechenden Exemplaren aus früheren Auktionen. Katalog 24 mit einer Vielzahl von Einträgen mit Vergleichspreisen früherer entsprechender Vorkommen. 1445 Gramm. (2)
Wilhelm [Otto Ludwig] Freiherr Knigge (* 1840 in Hannover, † 1928 in Harkerode bei Hettstedt) erbte aus Familienbesitz das Rittergut Harkerode, den Brauhof, das Unterschloss Arnstein sowie das bei Königslutter gelegene Gut Beienrode. Er begann erst im Jahre 1891 mit dem Aufbau seiner numismatischen Sammlung. Dabei konzentrierte er sich auf die Münzen- und Medaillen der Herzöge von Braunschweig-Lüneburg und auf die Prägungen der niedersächsischen Städte. Seine Kollektion wuchs im Laufe von weniger als 30 Jahren zu einer der bedeutendsten dieser Gebiete. Einen Zwischenstand seiner Sammlungstätigkeit dokumentiert das 1901 durch H. S. Rosenberg verlegte dokumentarische Verzeichnis 'Münz- und Medaillen-Kabinet des Freiherrn Wilh. Knigge' mit 5551 Positionen, das nicht nur die herzoglichen, sondern auch die städtischen Prägungen miteinbezieht, während die Auktionskataloge von 1928 und 1930 ausschließlich die Münzen und Medaillen der Welfen erfassen. So veräußerte noch im Jahre 1941 Wilhelms Sohn und Erbe, Kurt [Moritz Ernst Leopold] Freiherr Knigge (* 1885, † 1959), 501 Prägungen der Stadt Hannover, darunter 3 Goldmünzen an das Kestner-Museum zu Hannover (Helmut Zimmermann, Münzen- und Medaillensammler in der Geschichte des Kestner-Museums, in: Hannoversche Geschichtsblätter 44, 1990, S. 75).
Dem Katalog der 1. Abteilung ist lose beigefügt eine auf dem gedruckten Rechnungsformular der Münzenhandlung H. S. Rosenberg in Bleistift erstellte Aufstellung betreffs der an dieser Auktion getätigten Käufe des Herrn Ad. Christensen, Lübeck, die diese Person als den ursprünglichen Eigentümer jenes Versteigerungsverzeichnisses ausweist. Die Titelseite des Katalogs der 2. Abteilung trägt den vierzeiligen Besitzereintrag Ad. Christensen / 18/11.[19]30 /Lübeck / Jg. Wullenweverstr. 3. Adolfo Christern (*1885 in Maracaibo, Venezuela, † nach 1966) war ein Sohn des gebürtigen Lübeckers Carl Wilhelm [Friedrich] Christern (* 1851) und dessen Ehefrau Sofia [Amalia], Tochter des in Venezuela von 1881-1888 amtierenden deutschen Botschafters Heinrich Bornhorst. Zu seiner schulischen Ausbildung schickten ihn seine Eltern nach Lübeck, wo ihm am Katharineum eine solide Wissensgrundlage vermittelt wurde (Das Katharineum, Mitteilungsblatt für die Eltern, Schüler und Freunde unserer Schule Jahrgang 11 Heft 34, März 1959, S. 3), dennoch scheint sein Lebensmittelpunkt in den ersten Jahrzehnten seines Lebens in Venezuela gelegen zu haben. Sein Vater hatte sich 1872 in Maracaibo niedergelassen und zunächst als Angestellter bei Handelsunternehmen gearbeitet. Bereits 1876 gründete er gemeinsam mit Geschäftspartnern das kleine, vornehmlich auf den Umschlag von Trockenwaren, insbesondere Kaffee, ausgerichtete Handelshaus 'Tarre, Christern & Co', das mit dem Ausscheiden von August Tarre 1879 unter dem Namen 'Christern & Co.' weitergeführt wurde. Der Erwerb einer Gerberei am Stadtrand Maracaibos noch im selben Jahr erweiterte die Geschäftsfelder, die sich im Laufe der Jahre sowohl im Bereich des Im- und Exports als auch in der Produktion, aber auch im nationalen Handel mehr und mehr diversifizierten. So prosperierte das Unternehmen zu einem wichtigen Handelsunternehmen Venezuelas und versetzte Carl Wilhelm Christern und seine Familie beträchtlichen Wohlstand. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts nahm er in der Unternehmensführung einige zukunftsträchtige Veränderungen vor, indem er 1906 seinen Mitarbeiter Gustav Zingg (* 1878 in Hamburg, † 1963 in Caracas) die Generalvollmacht übertrug und diese bald auch seinem Sohn Adolfo zuteilwerden ließ, der nach einer kaufmännischen Ausbildung im Unternehmen integriert worden war. Nachdem Carl Wilhelm Christern die beiden aufstrebenden Führungskräfte 1911 zu Gesamtgesellschaftern gemacht hatte, zog er sich aus dem aktiven Geschäftsleben zurück um seinen Lebensabend gemeinsam mit seiner Ehefrau Sofie im heimatlichen Lübeck, wo er seinen Wohnsitz in der Herderstraße 4, zu verbringen, ohne aber sein Lebenswerk aus dem Auge zu lassen. In diesem Zuge erfolgte die Umwidmung des Unternehmens in 'Christern, Zingg & Co' im Jahre 1912, wobei die Hauptgeschäftsführung formell weiterhin in den Händen des einstigen Firmengründers lag. Alberto Christern setzte die rührige Geschäftspolitik seines Vaters gemeinsam mit Gustav Zingg erfolgreich fort. Das Unternehmen engagierte sich im Im- und Export (so zählte es 1914 zu den wichtigsten Kaffee- und Kakaoexporteuren Venezuelas), war zudem Leder- und Schuhsohlenproduzent, wickelte aber auch im Lande die Geschäfte der Hamburg-Amerika-Linie ab und vertrieb dort exklusiv begehrte industrielle Exportwaren aus dem Deutschen Reich, z. B. die von Hanomag in Hannover gefertigten Schiffsmotoren Hanomag-Llyod, die von den Chemnitzer Wanderer-Werken produzierten „Continental'-Schreibmaschinen oder die begehrten Rechenmaschinen der Marke 'Brunsviga' von Grimme, Natalis und Co. in Braunschweig. Vermutlich nach dem endgültigen Ausschied von Carl Wilhelm Christern setzte das Führungsduo seinen kaufmännischen Mitarbeiter Hans Hemmer Zittlosen (* 1886 in Vegesack, † 1957 in Bad Kissingen) als weiteren Gesamtgesellschafter ein. Alberto Christern verlegte gegen Mitte der zwanziger Jahre seinen Wohnsitz nach Lübeck (Carl Stoermer, Adolfo Christern zum 80. Geburtstag, in: Lübeckische Blatter 125. Jahrgang, 1965, S. 351). Ende 1929 veräußerte er seine Anteile an Christern, Zingg & Co. an Gustav Zingg, der auch Hans H. Zittlosens Anteile übernahm und ab 1930 den Geschäftsbetrieb unter dem Namen 'Gustav Zingg & Co.' weiter betrieb. In Lübeck begab sich Alberto Christern freilich nicht in den Ruhestand, sondern betätigte sich weiterhin unternehmerisch als Kaufmann. Er lebte dort bis zu seinem Tode in seinem Haus in der Jürgen-Wullenwever-Straße Nr. 3. Über seine beruflichen Tätigkeiten ist kaum etwas bekannt, doch ist bekannt, dass er im Zuge der 'Arisierung' jüdischen Eigentums die zur Niederlassung des Hamburger Modehauses Hirschfeld gehörigen Grundstücke erwarb (Sylvia Steckmest, Führende Modehäuser am Neuen Wall. Das Modehaus Gebr. Hirschfeld am Neuen Wall Nr. 17–23. In: Liskor – Erinnern, Magazin der Hamburger Gesellschaft für jüdische Genealogie e.V. 5. Jahrgang, 2000, Nr. 018, S. 22). Nach dem Zweiten Weltkrieg, in dem er seinen einzigen Nachkommen verlor, trat er in der Hansestadt vornehmlich als Förderer gemeinnütziger Projekte in Erscheinung. So vermachte er das elterliche Haus in der Herderstraße 4 nach dem Tode seiner vor 1938 verwitweten Mutter (die gemäß des Eintrags im Lübecker Adressbuch von 1942 noch am Leben war) der Christengemeinschaft zu Lübeck, einer von den Leitsätzen der Anthroposophie geprägten Kultusgemeinschaft. 1959 ermöglichte die Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit den Erwerb eines seinem Wohnsitz unmittelbar benachbarten Hauses in der Jürgen-Wullenwever-Straße Nr. 1 und dessen Umbau zur sogenannten 'Mütterschule', einer noch heute bestehenden Einrichtung, indem er der 'Gemeinnützigen' zunächst ein zinsloses Darlehen über 95.000 DM zur Verfügung stellte, das er später in eine Schenkung umwandelte (Lübeckische Blätter 164. Jahrgang, 1999, S. 92). Der Gesellschaft für Geographie und Völkerkunde zu Lübeck e. V. hinterließ er in seinem Testament eine Summe von 50.000 DM, die sie im Jahre 1969 nutzen konnte für die Rückführung und Magazinierung der geretteten Bestände des Lübecker Völkerkundemuseums, die nach Hamburg ausgelagert worden waren (Lübeckische Blätter 144. Jahrgang, 1984, S. 2; (https://www.geoluebeck.de/index.php/wir-ueber-uns/voelkerkundesammlung).
Adolfo Christerns sammlerische Laufbahn entzieht sich unserer Kenntnis. An der Versteigerung der ersten Abteilung der Sammlung Knigge hat er sich persönlich im Saal beteiligt, wie dies aus seiner durchgehenden handschriftlichen Protokollierung der Zuschlagpreise und der Saalkäufer zu erschließen ist, ebenso wie seine in Rot und Blau gesetzten Markierungen der ihn im Besonderen interessierenden Positionen. Da er außer den Zuschlagpreisen auch die Namen der Saalkäufer notiert hat, dürften ihm die Teilnehmer an der Versteigerung wohlbekannt gewesen sein. Sein Katalog der zweiten Abteilung erweist ihn als einen offensichtlich bereits kenntnisreichen und erfahrenen Münzensammler, der dieses Verzeichnis vor der Auktion intensiv durchgearbeitet hat, indem er dem Großteil der Lose seine handschriftlichen Notizen über Resultate entsprechender Prägungen aus früheren Versteigerungen hinzugefügt hat. Insbesondere hat er dafür die Versteigerungsverzeichnisse der Sammlungen Schwalbach [Schw.], Bohlmann? [Bl.], Lehmann [L.], Bode [Bde.], Schulthess-Rechberg [Sch.] und Reimmann [Rei.] sowie die Restbestände der aufgelösten Firma Zschiesche & Köder [Zsch.] und etlicher weiterer Auktionen konsultiert. Seine Präsenz in der numismatischen Szene wird untermauert durch den Umstand, dass er im Auftrag des venezolanischen Konsulats in Hamburg dem Medailleur Karl Goetz den Auftrag erteilt haben soll zur Schöpfung einer münzartigen Probeprägung der Jahreszahl 1930 beizutragen (Tommas F. Stohr, siehe www.monedasdevenezuela.com/numismatica/debe-el-fuerte-de-gomez-incluirse-como-moneda-de-coleccion/; Kienast 398), deren Revers das Staatswappen Venezuelas und deren Avers das Porträt des venezolanischen Generals Juan Vicente Gome aufweist, der von 1908 bis zu seinem Tode 1935 diesen südamerikanischen Staat beherrschte. Daraus ableitend dürfte es kaum von der Hand zu weisen sein, dass Christern auch in einem entsprechenden Zusammenhang gestanden haben dürfte mit der bildlich eng verwandten Goetz-Medaille auf General Gomez mit der Ortsangabe HAMBURG und der Jahreszahl 1929 (Kienast 424). Jenes Schaustück ist wohl im Zusammenhang mit der Niederschlagung der 1928 und endgültig niedergeschlagenen 1929 Umsturzversuche in diesem südamerikanischen Staat (zu diesem historischen Ereignis siehe: Sönke Bauck, Vom Caudillismo zur Musterdemokratie Lateinamerikas? Politik, Gesellschaft und Militär in Venezuela [1928-1948]. Arbeitspapiere zur Lateinamerikaforschung II-13, Köln 2017, S, 27).
; NUMISMATISCHE LITERATUR; AUKTIONSKATALOGE UND LAGERLISTEN;