1 VideoVersilberte Bronzegußmedaille o. J. (1560/1561), von Leone Leoni, Mailand, auf den 88. Geburtstag von Michelangelo Buonarroti (*1475, Ó1564). MICHAELANGELVS Û BONARROTVS Û FLO Û R Û AETS Û ANN - 88 Brustbild Michelangelos r., im Armabschnitt die Signatur LEO//DOCEBO Û INIQVOS Û V Û T Û TE Û IMPII Û AD Û TE CONVER Ein blinder, barfüßiger Pilger geht r. mit Stock, Rosenkranz und Trinkflasche, angeführt von einem Hund. 59,40 mm; 63,63g. Attwood 61; Pollard 719; Scher (Currency of Fame) 52; Slg. Lanna 166. Von großer Seltenheit und kunsthistorischer Bedeutung. Originalguß. Hübsche Patina, winz. Kratzer, vorzüglichDie vorliegende Medaille vereint zwei außergewöhnliche Künstler in einem Kunstwerk: Leone Leoni, der als Hofmedailleur in Mailand für Karl V. tätig und in ganz Europa für seine Kunstfertigkeit hochangesehen war, sowie Michelangelo Buonarroti, den wohl bedeutendsten Künstler der italienischen Hochrenaissance. Die beiden standen bezüglich der Medaillenanfertigung in Briefkontakt, der teilweise überliefert ist. Daraus geht u. a. hervor, dass Leoni bereits im Jahre 1560 mit der Herstellung dieses Kunstwerks begann, diese sich aufgrund anderer Projekte allerdings verzögerte. Letztlich sendete der Medailleur im März 1561 vier Exemplare der fertigen Medaille, zwei in Silber, zwei in Bronze, an Michelangelo. Dieser zeigte sich erfreut und schenkte Leoni zum Dank ein heute verlorenes Wachsmodell von Hercules und Antaeus. Es ist ebenfalls überliefert, dass der Medailleur "per ambizione", also aus eigenem Ehrgeiz, der wohl als Werbemaßnahme mit Verkaufsabsicht verstanden werden kann, mehrere Stücke nach Spanien, Flandern und Rom schickte. Es ist denkbar, dass im Zuge dessen die Versilberung des vorliegenden Stückes stattgefunden hat, um potentiellen Käufern zu zeigen, wie die Medaille in diesem teureren Metall wirkt, ohne sie direkt so kostenintensiv produzieren zu müssen (vgl. dazu Attwood, S. 48).
Das auf der Medaille genannte Alter von Michelangelo, 88 Jahre, ist nicht korrekt; 1560 war er erst 85 Jahre alt. Hinter dem Brustbild erkennt man fein die Zahlen "4569 / ' 5 . 7", die auf keinem anderen uns bekannten Exemplar auftauchen. Dieser Umstand liegt zumeist darin begründet, dass zahlreiche spätere, weniger detailgetreue Anfertigungen dieser Medaille im Umlauf, sowohl im Handel als auch in Museen, sind. Lediglich bei dem im Museo del Bargello, Florenz, befindlichen Exemplar (abgebildet bei Pollard, Museo del Bargello unter Nr. 719), einem wohl ebenfalls als Original einzustufenden Exemplar, können Reste dieser Zahlen erahnt werden. Ihre Bedeutung entzieht sich trotz intensiver Recherche unserer Kenntnis.
Ähnlich verhielt es sich lange mit der Darstellung des blinden Pilgerers auf der Rückseite, die zu vielen Diskussionen und Vermutungen geführt hat. Simona Cohen (Michelangelo's Portrait Medal: The Blind Pilgrim and his Dog, in: Artibus et Historiae, Vol. 42, Nr. 84, 2021, S. 83-98) konnte nun überzeugend darlegen, dass mit dieser zunächst despektierlich wirkenden Darstellung Michelangelos Wendung nach innen sowie sein Verständnis als reumütiger, auf Wiedergutmachung hoffender Mensch und Christ verdeutlicht werden. In seinem eigenen poetischen Spätwerk finden sich dementsprechend Anklänge an Dantes Werk und dessen Selbstverständnis eines "blinden Mannes in einer blinden Welt". In diesem Sinne führt der Hund ähnlich wie ein Hirte den (spirituell) Blinden an und kann als Symbol für Demut, Mitgefühl und Treue verstanden werden. Obwohl Renaissancemedaillen meist die Tugenden und Errungenschaften des Dargestellten in besonderer, bisweilen übertriebener, Weise verherrlichen, zeigt Michelangelo hier selbstbewusst seine zurückhaltende Bescheidenheit.
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