GUSTAV SALOMON, Sammelband mit dem 1. und 2. Teil der Auktionskataloge der Sammlung Reichenbach.
Beinhaltend: [DERS., Auktion vom 5.3.1888 u.f.T., Dresden] Die Reichenbach'sche Münz- und Medaillensammlung, angelegt und beschrieben von Theodor Reichenbach in Dresden-Plauen. Die Neuzeit. Erster Theil [sic: Diese Versteigerung erfolgte nach der Auflösung der ersten Partie!]. Deutsche Kaiser. Deutsches Reich. Oesterreichischer Kreis. Bayerischer Kreis. Fränkischer Kreis. Dresden 1888. 4 unpaginierte, 126 S., 3 Tfn. (Tf. I als Frontispiz. 3590 Nrn. Dahinter eingebunden: unpaginiertes, einseitig bedrucktes Blatt mit Nachträgen und Berichtigungen, gefolgt von der auf den 28. März 1888 im Druck datierten Ergebnisliste [8 S.]). Beigebunden: [Gustav Salomon, Auktion vom 14.6.1887 u.f.T., Dresden] Die Reichenbach'sche Münz- und Medaillensammlung, angelegt und beschrieben von Theodor Reichenbach in Dresden-Plauen. Die Neuzeit. Zweiter Theil [sic: Diese Versteigerung erfolgte vor der Auflösung der ersten Partie!]. Obersächsischer Kreis. Die Lande beider Hauptlinien des Hauses Sachsen, sowie deren Nebenlinien. Dresden 1887. 4 unpaginierte, 108 S., die darin auf S. 107 f. enthaltenen Nachträge und Berichtigungen, 2 Tfn. (Tf. I als Frontispiz). 3377 Nrn. zuzüglich der 14 mit den Nachtragssiglen a oder ab versehenen eingeschobenen Nrn. des Nachtrags, gefolgt von der auf den 1. Juli 1887 im Druck datierten Ergebnisliste [8 S.]). Halbleineneinband, wohl um 1900, mit Eckbezügen. Das bedruckte vordere Deckblatt der Orig.-Broschur ist auf den Vordereckel montiert worden. Die Buchdecke berieben, Einrisse des Rückenbezugs im Gelenkbereich. 566 Gramm.
Gemäß der Ergebnislisten erstreckte sich die Auktion des ersten Teils dieser Sammlung vom 5.-9.3.1888 und jene des zweiten Teils vom 14.-21.6.1887.
Der jüdische Kaufmann [Carl Friedrich] Theodor Reichenbach (* 1832 in Dresden, gestorben 1889, siehe https://www.ancestry.ca/genealogy/records/carl-friedrich-theodor-reichenbach-24-12ph4g7, zwecks Individualisierung dieser Daten siehe Angabe des Sterbeorts in: Illustrierte Zeitung, Leipzig/Berlin, Nr. 2424, vom 14.12.1889, S. 644) war Mitglied der Dresdner Numismatischen Gesellschaft. Hier zählte er zu dem sechsköpfigen lokalen Organisationskomitee des zweiten Vereinstages deutscher Münzforscher (Deutscher numismatischer Kongress) zu Dresden vom 18. bis 20.9.1881 (Blätter für Münzfreunde 1881, Sp. 811, 871, Dto. 1882, Sp. 869f) und betätigte sich auch als numismatischer Autor in der, seitens seiner Gesellschaft, periodisch erschienenen Schrift 'Aus Dresdner Sammlungen'. Am 6. Juli 1862 hatte er gemeinsam mit seinem Kompagnon Carl Julius Wischke in Plauen die Handelsgesellschaft Reichenbach & Wischke gegründet, die sich dem 'Colonialwaren-Grosso Geschäft' widmete (Sammlung der deutschen Handels-Register, 1. Band, Köln 1862, S. 90). Er wird in den Dresdner Adressbüchern erstmals in der 1863 erschienenen Ausgabe aufgeführt, wo er vorher gelebt hat, kann indes nicht aufgezeigt werden. Damals wohnte er in der kleinen Schießgasse 4, während die Firma bereits ihren Sitz in der Sophienstraße 6 bezogen hatte (Adreß- und Geschäftshandbuch der königlichen Residenzstadt Dresden Band 9, 1863, S. 188) und bis zu ihrem Ende dort bestand. Von 1864 bis 1866 befand sich Reichenbachs privater Wohnsitz in der Moczinkystraße 1 (Dto. Band 10, 1864, S. 197; dto. Band 12, 1866, S. 215), von 1867 bis 1869 lebte er in der Mathildenstraße 2 (Dto. Band 13, 1867, S. 220). Für die Jahre 1870 bis 1873 fehlt sein privater Wohnsitzeintrag in den Dresdner Adressbüchern, von 1874 bis 1886 (Dto. Band 20, s. 279; dto. Band 32, 1886, S. 386) ist er hingegen als Geschäftsleiter der Firma Reichenbach und Wischke ohne Adressangabe wohnhaft im Dorf Plauen verzeichnet (Dto. Band 20, 1874, S. 279). Seit dem Jahr 1887 ist weder Theodor Reichenbach noch die Firma Reichenbach und Wischke in den Dresdner Adressbüchern fassbar, indes wird sein Geschäftspartner, der Kaufmann Carl Julius Wischke weiterhin unter seiner Privatadresse in der Ostallee 18 und seit dem Jahr 1890 dort firmierend als Sachverständiger für kaufmännische Bücher und Rechnungswesen aufgeführt. Demzufolge dürfte die Firma Reichenbach und Wischke 1886/1887 aufgelöst worden sein. Ob Carl Friedrich Theodor Reichenbach seinen Wohnsitz in Plauen beibehalten hat oder gar nach Hamburg gezogen ist, wo er wenige Jahre später verstarb, lässt sich nach der bisherigen Quellenlage nicht entscheiden. Jedenfalls begann er seit 1887 mit der Auflösung seiner numismatischen Sammlung, die bis über seinen Tod hinaus in 7 Teilen in Dresden versteigert worden ist, zunächst durch den örtlichen Bücherauktionator und -taxator Gustav Salomon und nach dessen Hinscheiden am 27.6.1893 durch dessen Bruder Bruno Salomon (Auktionen vom 14.6.1887 u.f.T., vom 5.3.1888 u.f.T., vom 2.12.1889, vom 9.4.1891, vom 26.4.1892, vom 26.4.1893, vom 17.10.1894 und vom 23.10.1894). Die Texte derjenigen Kataloge, die zu Reichenbachs Lebzeiten erschienenen, stammten von ihm selbst, die nach seinem Tode erschienenen Verzeichnisse erstellte seine Schwester Auguste Reichenbach aufgrund der Aufzeichnungen des Verstorbenen. Da aus den, u. a. mit Angaben der Auktionsbedingungen, bedruckten Deckblättern der broschierten Einzelkataloge hervorgeht, dass das zugeschlagene Auktionsgut ohne Aufgeld abgegeben worden ist, lässt sich der Schluss ziehen, dass der volle Auktionserlös an Reichenbach bzw. seine Hinterbliebenen fiel und der Auktionator lediglich für seine versteigerische Tätigkeit im Saal sowie für spätere notwendige Tätigkeiten, wie die Erstellung der Ergebnislisten, von den Reichenbachs entlohnt worden ist. Vermutlich sind die durch die Verlagsbuchhandlung Wilhelm Baensch in Dresden produzierten Kataloge ebenfalls auf Initiative und Kosten des Sammlers und seiner Erben herausgegeben worden. Reichenbachs numismatischen, heraldischen und genealogischen Bücherbeständen widmete die Numismatische Gesellschaft zu Dresden ihre erste Auktion vom 30.10.1895.
Die in unserem Katalog der Bibliothek Alain Poinsignon, Straßburg, Teil 3 (Fritz Rudolf Künker GmbH & Co. KG, Auktion 357, 2021, S. 413, Anmerkungen oberhalb und zur Los-Nr. 4587) vorgelegte knappe Darstellung zum Auktionator und Antiquariatsbuchhändler Gustav Salomon sowie die knappen Informationen zu seinem jüngeren Bruder und geschäftlichen Nachfolger Bruno Salomon können nun weiter konkretisiert erweitert werden, unter Heranziehung einer neueren Quelle (Hanna Strzoda, Annotation zu: Antiquitätenhandlung M. Salomon, Dresden. [Einlieferung 'Fa. Salomon, Dresden, in Liquidation'], Auktion Lempertz 22.-24.10.1936, siehe: https://anno.ub.uni-heidelberg.de/anno/MZQyDr8nR3u6Z5sx3n-xTw) und weiterer Nachweise. Sowohl Gustav (* 1841 in Dresden, † 1892 ebendort) als auch Bruno Salomon (* 1852 in Dresden, gestorben 1912 ebendort) waren mit ihren 7 weiteren Geschwistern Kinder von Meyer Baruch Salomon (* 1809 in Dresden, gestorben 1863 ebendort), der in seiner Geburtsstadt 1834 als Händler von 'alten Sachen' nachweisbar ist und dort 1855 die Konzession zum Betreiben eines Antiquitätengeschäfts erteilt bekam. So entstand die über 3 Generationen geführte 'Antiquitätenhandlung M. Salomon', die sich auf dem Feld des gewerblichen Ankaufs von Kunst- und Antiquitäten über die Grenzen Dresdens hinweg zu einer namhaften Institution entwickelte und deren Expertise insbesondere im Bereich des Meißener Porzellans weithin anerkannt wurde. Sie wurde nach dem Ableben ihres Gründers zunächst von dessen ältesten Sohn Edmund (* 1839 in Dresden, gestorben 15. August 1900 ebendort) übernommen und unter dem eingeführten Namen von diesem bis zum Ende seines Lebens weitergeführt, wobei der Eigentumswechsel infolge des Erbrechts erst Ende 1878 durch einen Eintrag im Handelsregister amtlich annonciert wurde (Handelsregisterblatt 3364, Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden, 11045 Amtsgericht Dresden, Nr. 1267, S. 22-24).
Edmunds Bruder Gustav Salomon machte hingegen in der sächsischen Hauptstadt eine Lehre in der Buch- und Antiquariatshandlung seines Onkels Löser Wolf, der ihm später sein Geschäft übertrug. 1871 bekam Salomon von seiner Heimatstadt die Konzession als Buchauktionator und Taxator erteilt, mit dem ausdrücklichen Hinweis auf seine in- und ausländischen Kontakte, die Buchhandlung führte er noch später unter dem Firmennamen 'G. Salomon's Antiquariats- und Verlagsbuchhandlung'. Anfang 1871 hatte er sich mit Klara Schwab (* 1848 in Glasgow, gestorben 1941 im Internierungslager Gurs, Département Pyrénées-Atlantiques, Frankreich) vermählt. Aus dieser Ehe ging Tochter Else (* im Dezemnber 1871, gestorben 1960 in Karlsruhe) als einziges Kind hervor (https://gedenkbuch.karlsruhe.de/namen/3753). Seit den siebziger Jahren führte Gustav neben dem Antiquariatshandel und seinem Verlagsgeschäft als 'Kön[iglicher]. Gerichts-Auktionator und Taxator für Literatur und Kunst' auch schon Bücherversteigerungen durch (siehe dazu z. B. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel und die mit ihm verwandten Geschäftszweige No. 245, 22.10.1874, S. 3890). Mit der Auflösung von Partien der Münzen- und Medaillensammlung des jüdischen Kaufmanns Theodor Reichenbach zwischen Juni 1887 und April 1892 erfolgten unter seiner Regie auch 5 Auktionen, die ausschließlich numismatisches Versteigerungsgut beinhalteten. Nach Gustavs Ableben übernahm sein jünger Bruder dessen Firma, mitsamt dem in der Moritzstaße 7, I ansässigem Ladengeschäft, wo Gustav auch seine Versteigerungen veranstaltet hatte. Bruno erhielt am 24. Februar 1893 die gewerbliche Zulassung als Antiquariats- und Verlagsbuchhändler und erhielt nur wenig später am 6. April desselben Jahres die Konzession als Auktionator. Seine erste numismatische Versteigerung, die die vorletzte Partie der Sammlung Reichenbach beinhaltete, veranstaltete er bereits knapp drei Wochen später am 26. April. Bis Oktober 1894 erfolgten weitere Auktionen mit Münzen und Medaillen aus den Kollektionen Reichenbach und Dr. Friederich. Nach dem Ableben seines Bruders Edmund im August 1900 erwarb Bruno zusammen mit Albert Meyer Salomon (* 1872 in Dresden, gestorben 1933 in Berlin) von den Kindern des Verstorbenen die 'Antiquitätenhandlung M. Salomon' und ließ sie in eine Offene Handelsgesellschaft umwandeln. Unter diesen beiden neuen Inhabern wuchs die Firma weiter und mehrte ihre Reputation, längst wurde ihre Expertise insbesondere im Bereich des Meißener Porzellans geschätzt. 1905 kam eine Niederlassung in Berlin hinzu, die freilich bereits 1913 wieder geschlossen wurde. Zu den Dresdner Mitarbeitern zählte auch Eugen Abraham Salomon (* 1873 in Dresden, gestorben 1953 in Stoke Newington, London), Brunos Neffe und Sohn des früheren Geschäftsinhabers Edmund, dem 1909 Prokura erteilt wurde. Bruno starb am 19. Juli 1912 kinderlos, wie dies der Inschrift auf seinem noch erhaltenen Grabstein auf dem Dresdner Neuen jüdischen Friedhof zu entnehmen ist. Albert Meyer Salomon (der demzufolge, entgegen Hanna Strzodas Vermutung, nicht Brunos Sohn war) zog sich bald darauf aus der Antiquitätenhandlung M. Salomon zurück. Schon im November 1912 erfolgte eine Auflösung von Lagerbeständen der Dresdner Niederlassung (Rudolph Lepke’s Kunst-Auctions-Haus, Versteigerung vom 5.-7.11.1912. Antiquitäten aus dem Besitz der Firma M. Salomon Dresden). Am Ende jenes Jahres befand sich die angesehene und florierende Firma bereits im Besitz von Eugen Abraham Salomon, der sie fortan als Alleininhaber führte, bis er gemeinsam mit seiner Familie 1933 Deutschland schon im ersten Jahr der nationalsozialistischen Herrschaft verließ und die Warenbestände seiner Antiquitätenhandlung zurücklassen musste. Während die Antiquitätenhandlung noch bis 1935 in den Dresdner Adressbüchern gelistet ist, wurde die Liquidation der Firma nachträglich auf den 1. November 1933 festgesetzt.