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NUMISMATIC LITERATURE AUKTIONSKATALOGE UND LAGERLISTEN

Lot 7613

Lot 7613

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LEO HAMBURGER, Auktion [90] vom 29.5.1929 u.f.T., Frankfurt/Main.

[Katalog 90] Sammlung eines deutschen Industriellen. Dubletten des Berliner Münzkabinetts. Antike, Barbaren [, Württemberg und angrenzende Gebiete, Oldenburg, Kunstmedaillen, Allgemeines, dabei viele Goldmünzen]. Hier ein privater Auszug dieses Katalogs, beschränkt auf die Münzen der Antike und die völkerwanderungszeitlichen bis frühmittelalterlichen  Prägungen der germanischen Staaten auf die Gebiete des römischen Imperiums. 4 unpaginierte, 40 [von 80] S., 21 [von] 34 Tfn. 852 [von 1705] Nrn. Einband aus Bibliotheksleinen, wohl des letzten Viertels des 20. Jahrhunderts, mit weißgeprägtem Rücken. 476 Gramm.

 

Detlef Tietjen benennt 'den deutschen Industriellen' mit einem gewissen 'Unger'. Vermutlich ist dieser Name gleichzusetzen mit dem Stuttgarter Fabrikanten Ernst Unger (* 1884 in Stuttgart, † 1958 in Coesfeld, siehe https://sempub.ub.uni-heidelberg.de/propylaeum_vitae/de/wisski/navigate/26142/view). Nach dem im Januar 1907 erfolgten Ableben seines Vaters Ernst Ludwig Unger, Inhaber des in Stuttgart angesiedelten Produktionsbetriebs A. Ziemann, einer Fertigungsstätte für Brauereigeräte, brach Ernst Unger sein Ingenieurstudium, das er zuletzt an der Fachhochschule Berlin absolvierte, ab und kehrte in seine Geburtsstadt zurück, um Aufgaben im väterlichen Unternehmen zu übernehmen. Anfangs hatte Ernsts Schwager die Leitung des Betriebs übernommen, an dessen Seite Ernst drei Jahre später nach Übernahme seines mütterlichen Erbes trat. Die Anfänge der Unger'schen Münzenkollektion liegen im Herbst 1922. Anfangs verlegte er sich auf Prägungen der römischen und griechischen Antike sowie jene des Herzogtums Württemberg. Seit 1926 beschäftigte er sich intensiv mit der Geschichte der auf dem Boden des ehemaligen römischen Imperiums hervorgegangenen Reiche der Ost- und Westgoten, Vandalen, Langobarden, Franken, Merowinger und deren germanischen Nachbarn. In diesem Jahr war er auch in die Österreichische Numismatische Gesellschaft aufgenommen worden (Numismatische Zeitschrift, 59. Band, 1926, S. 187). Deren Münzen galt fortan seine besondere Aufmerksamkeit, in wenigen Jahren schuf er eine hochbedeutende Kollektion auf diesem Gebiet, die er fortan als 'Hauptsammlung' favorisierte, seine bisherigen Sammelgebiete aber als 'Allgemeine Sammlung' weiterhin erhielt. Unger war Mitglied in dem 1902 gegründeten Württembergischen Verein für Münzkunde e. V. und wurde 1926 auch in die Österreichische Numismatische Gesellschaft aufgenommen. Damals ist er als Bibliophiler und Münzensammler samt Angabe seiner Wohnadresse in der Stuttgarter Olgastraße 87 auch in einem Handbuch über das internationale Sammlerwesen aufgenommen worden  (Paul Neff Verlag [Hrsg.], Pantheon: Adressbuch der Kunst- und Antiquitäten-Sammler und -Händler, Bibliotheken, Archive, Museen, Kunst- Altertums- und Geschichtsvereine, Bücherliebhaber, Numismatiker, 2. Auflage, Esslingen 1926, S. 297). Er pflegte vertraute Kontakte zu dem Grazer Oberschullehrer Friedrich Stefan (* 1886 in Zwittau, Mähren, † 1962 in Graz), einem Sammler völkerwanderungszeitlicher Münzen, aber auch zu akademischen Fachleuten, wie z. B. zum Althistoriker, Numismatiker, Epigraphiker und Archäologen Andreas Alfödi (* 1895 in Pomáz bei Budapest; † 1981 in Princeton). Er soll auch eine nennenswerte numismatische Bibliothek zusammengebracht haben, die während des Zweiten Weltkrieges vernichtet worden ist. Im Zuge des allgemeinen wirtschaftlichen Abschwungs, der Deutschland 1928 erfasste, geriet Ernst Ungers Unternehmen in Schwierigkeiten. Bereits in einem Brief vom Anfang jenes Jahres wies er auf seine Probleme hin, Neukäufe hinreichend zu finanzieren. In dieser ungünstigen Lage mag er sich dazu entschlossen haben, zunächst einen Teil seiner Sammlung durch die Firma Leo Hamburger versteigern zu lassen. Doch verbesserte sich seine ökonnomische Lage damit nicht wesentlich. Vielmehr brachte die Weltwirtschaftskrise seinem Unternehmen im Dezember 1931 den Konkurs. Damit musste Unger auch seine numismatischen Bestände zur Befriedigung der Gläubiger überlassen. Seine geliebte 'Hauptsammlung' von 'Barbarenmünzen' gelangte zunächst als Sicherheitsleistung an die Dresdner Bank, die sie später geschlossen der 'Eduard Pfeifer-Stiftung' in Stuttgart veräußerte und von dieser dem Münzkabinett des Musums im Stuttgarter Schloss übereignet wurde. Seine 'Allgemeine Sammlung' wurde indes 1931 auf Vermittlung von Leo Hamburger im Rahmen einer Auktion der Münchener Firma Otto Helbing Nachf. aufgelöst. Vermutlich in der Auktion vom 7.7.1931 und folgende Tage (Katalog [65], enthaltend u. a. : ...'Münzen und Medaillen vieler Zeiten und Länder, mit vielen Seltenheiten auf allen Gebieten. Aus Süddeutschem und Berliner Besitz'...). Seine numismatische Bibliothek war offenbar nicht als Teil der Insolvenzmasse berücksichtigt worden, da sie erst während des Zweiten Weltkrieges der Vernichtung anheim gefallen sein soll. Über das spätere Schicksal von Ernst Unger ist nichts Genaueres publiziert (soweit im Vorhergehenden nicht andere Quellen zitiert sind, beruht unsere Darstellung auf: Holger Komnick/Marjanko Pilekić/David Wigg-Wolf, The Stuttgart Coin Collector Ernst Unger and His Networks. In: R. Ciołek/R. Chowaniec [Hrsg.], Aleksanderia. Studies on Items, Ideas and History Dedicated to Professor Aleksander Bursche on the Occasion of his 65th Birthday, Wiesbaden 2021, S. 225-234). Nach dem Zweiten Weltkrieg lebte Ernst Unger im westfälischen Coesfeld und dürte anscheinend am Betrieb der 'Coesfelder Kunststube' beteiligt gewesen sein (Universität Wien, Institut für Numismatik und Geldgeschichte, Archiv. Bestand: Nachlaß Friedrich Stefan (1886-1962), Findbuch S. 53).